Das eigensinnige Entlein

Tagelang hatte Entemutter Naak auf ihren Eiern gesessen. Oftmals hatte sie sich nur einen Schluck Wasser gegönnt oder mal auf die Schnelle ein paar Happen Futter. „Nur die Eier nicht so lange alleine lassen, sie brauchen Wärme“, dachte sie stets. Wie gerne hätte sie sich mal die Beine vertreten oder wäre mal ein Stück auf dem nahe gelegenen Teich geschwommen.  Aber all das war erst wieder möglich wenn ihre Kleinen aus dem Ei geschlüpft waren.

„Hatte sich da etwas gerührt?“ Vorsichtig hob Naak ihren Flügel um nachzusehen, konnte jedoch noch nichts entdecken. Doch da – war das nicht wie das Knacken einer Eierschale? „Mein erstes Kind“, lächelte Naak vergnügt vor sich hin, als sie merkte wie es sich unter ihr bewegte. Ganz leicht machte sie sich. Hockte sich nur vorsichtig über die Eier, so dass sich die kleinen Entlein bewegen konnten ohne erdrückt zu werden. Dies waren die schwersten Stunden für die Entenmutter. Vorsichtig schaute sie immer wieder unter sich ins Nest und sammelte mit ihrem Schnabel die leeren Eierschalen aus dem Nest. Das nur ja keins der Kleinen sich an   den hartgetrockneten Schalen verletzen könne. Endlich war es geschafft. Alle sieben Entlein waren aus dem Ei geschlüpft.  Naak stand auf und forderte mit einem freundlichen „naak, naak“ die Kleinen auf, ihr zu folgen. Munter purzelten sie aus dem Nest und schlossen sich der Mutter an. Nach dem ersten Erkundungsgang machte die Entemutter ihren Kindern klar, dass sie jetzt wieder ins Nest müssten. Alles kletterten bereitwillig zurück, für diese wenigen Stunden die sie auf der Welt waren, hatten sie eine Menge erlebt. ‚Schnatt‘ bummelte langsam hinterher. Sie schaute hierhin und dorthin und hatte noch so gar keine Lust ins Nest zurückzukehren. Mutter Ente musste ein wenig energisch werden, sonst wären sie nicht mehr rechtzeitig zur Fütterung gekommen. „Du musst dich schon ein wenig an deine Geschwister halten“, mahnte sie.

Am nächsten Morgen war Schnatt zuerst auf den Beinen. Es drängte sie förmlich ins Freie. Kaum war die Stalltür offen lockte Naak ihre Kinder hinaus, doch Schnatt war schon nicht mehr zu sehen. Sie hatte sich durch die ersten freie Lücke gezwängt und war auf und davon. Traurig blickte sich Naak um. „Wenn ihr nur nichts passiert ist“, dachte sie. „Sicher kommt sie, wenn sie Hunger hat abends alleine nach Hause“, tröstete sie sich.  Mit den andren Entlein ging Mutter Ente zur ersten Schwimmstunde auf den See. Die Kleinen tollten fröhlich im Wasser und ruhten sich ab und zu auf Mutters Rücken ein wenig aus. Müde und hungrig watschelten sie am Abend heim. An Schnatt hatte keiner gedacht. – Doch Naak hatte ihr Kind nicht vergessen, den ganzen Tag hatte sie sich Sorgen gemacht . Als sie nun in den Stall kamen und Schnatt immer noch nicht da war, meinte Naak: „Jetzt muss ich die Kleine suchen! Hier ist euer Abendessen, wenn ihr satt seid kuschelt euch ins Nest. Ich bin bald zurück.“ Die Entlein taten wie Mutter geheißen. Naak watschelte so schnell sie konnte über den Hof, schaute in alle Winkel und rief nach ihrem kleinen, verlorenen Entlein. Nichts, nirgends ein Ton! Als Naak schon bei der Kirschplantage war, vernahm sie ein leises „naak, naak“. Schnell hatte Mutter Ente den Ort gefunden. In einem tiefen Erdloch hockte ihr Kleines. Neben der Grube war Erde aufgeschüttet. Der Bauer hatte Pflanzlöcher für neue Bäume ausgehoben, die am nächsten Tag gesetzt werden sollten. „Geh jetzt schön zur Seite, ich werde Erde in die Grube scharren. Soviel Erde, bis ein Berg entsteht auf dem du herauskrabbeln kannst. Naak hatte kaum noch Kraft, so mühte sie sich, um ihr Kind möglichst schnell zu befreien. „Hier bin ich“, tönte  plötzlich hinter Naak eine Stimme. Freudig  umarmte sie ihr Kleines mit den Flügeln. „Nun aber schnell nach Hause, deine Geschwister warten schon.“ Schnatt war jeder Hunger vergangen, sie kuschelte sich nur noch  an ihre Geschwister und schlief sofort ein.

Am nächsten Morgen sagte Naak zu ihren Kindern „Wenn wir heute zum Wasser gehen, passt gut auf, dass Schnatt nicht wieder verloren geht.“ Heute hatte Schnatt gar keine Lust auf Abenteuer, sie freute sich darauf den See kennenzulernen. Ruhig und vergnügt watschelte am Abend die gesamte Entenfamilie nach Hause. Auch am dritten  Tag ging alles seinen Gang. Am vierten jedoch wollte Schnatt wieder mal was erleben. Diesmal blieb sie beim Morgengang zum See hinter den anderen und als Naak auf dem See ihre Kinder zählte, fehlte Schnatt. „Diesmal werde ich sie nicht suchen“, nahm sich die Entenmutter vor, „sonst lernt sie nie das folgen“.

Der Abend kam, Familie Ente verspeiste das Futter, das die Bäuerin liebevoll hergerichtet hatte und begab sich zur Ruhe. Auch am nächsten Morgen war noch nichts von Schnatt zu sehen. Als Familie Ente abends vom See heimkehrte, war es aus mit Naak´s Geduld.  „Kinder ich muss eure Schwester suchen“, meinte sie und war auch schon verschwunden. Brav gingen die Entlein ins Nest und schnatterten noch eine Weile über ihre ungehorsame Schwester.

Naak suchte und rief, aber von Schnatt war keine Spur. Als sie schon aufgeben wollte hörte sie leises schnattern. Naak sah sich um, wo die Stimme wohl her käme? „Dort aus dem großen Häckselkasten könnte es gekommen sein dachte sie, nur wie komme ich dort hinauf?“ Naak stimmte ein lautes Geschnatter an. Das weckte den Hofhund Nero. Der fing an zu bellen. Jetzt kam der Bauer aus dem Haus, ging zu Nero und frug „Was ist denn nur los, mein Guter?“ Nero bellte in Richtung des Häckslers und nun sah der Bauer Naak aufgeregt schnatternd hin und her eilen. „Was soll denn das?“, dachte er „Willst du denn heute gar nicht in den Stall?“, wandte er sich an Naak. In diesem Moment fiel sein Blick auf den Häcksler und nun sah er auch das kleine Entchen, wie es verzweifelt strampelte um heraus zu kommen und schon ganz kraftlos war. Vorsichtig hob er es heraus. „Wie bist du nur hier herein gekommen?“, verwundert schüttelte der Bauer den Kopf und setzte Schnatt neben ihrer Mutter ab. Nur mühsam schleppte sich Schnatt bis zum Nest. In dieser Nacht hörte sie nicht auf zu jammern, solch Bauchweh quälte sie, da sie zuviel von den Rübenschnitzeln genascht hatte. Als Schnatt dann einen Tag im Stall bleiben musste, weil es ihr gar nicht gut ging, so, das sie sich kaum rühren konnte, lief sie abends froh der Mutter entgegen. „Nie wieder laufe ich weg. Ich hab dich ja so lieb!“, schnatterte sie Naak entgegen. Von nun an waren sie eine fröhliche Entenfamilie und hielten fest zusammen. (Christina Telker)

Der Baum

„Hallo aufgewacht!“ Kaum das der neue Morgen sich zeigt, weckt die kleine Meise ihre Mitbewohner.

„Ich bin ja noch sooo müde“, tönt aus dem Kobel das Gähnen des Eichhörnchens. „Musst du denn immer so früh den Tag beginnen?“ „Ja, ich muss, ich freue mich so auf jeden neuen Morgen“, jubiliert fröhlich Frau Meise „Der Tag wird auch schön, wenn er etwas später beginnt“, entgegnete Springschnell, das Eichhörnchen. „Nun komm schon, genieße den jungen Morgen und freue dich!“, fordert Frau Meise. wie jeden Tag, ihre Mitbewohner auf. Seit Jahren bewohnten die zwei den gleichen Baum und waren richtig gute Freunde geworden. Nur morgens mussten sie sich erst ein wenig necken.

Viele Gäste hatten sie kommen und gehen gesehen. Gerade im letzten Frühjahr hatte Frau Lampe in der Hecke neben ihrem Baum ihre Jungen aufgezogen. War das lustig gewesen, wenn die kleinen Häschen voll Übermut auf der Wiese tollten und die ersten Sprünge vollführten.

Im Jahr davor hatte ein Fink in den Zweigen des Baumes sein Nest gebaut. Wie fröhlich sangen die Kleinen den ganzen Tag. Nur, wenn sie zu fordernd nach Futter riefen, wurde es dem Eichhörnchen zu viel und es suchte für einige Stunden das Weite. Stets kehrte Springschnell mit neuen Waldgeschichten zurück und berichtete aufgeregt was er gehört hatte. Nur in diesem Frühjahr gab es keine Gäste. Etwas traurig waren die Beiden schon darüber.

Was war das, kam da nicht jemand des Weges? „Ich bin ein kleines Füchslein und wandre durch die Welt. Ich suche mir ein neues Haus, bleibe wo es mir gefällt.“ Immer näher kam der etwas misstönige Gesang. Plötzlich blieb der Kleine vor dem Baum stehen. „Oh, was für ein schöner Baum und eine Höhle wie für mich geschaffen!“ „Hey du, geh mal lieber noch ein Stück weiter. Wenn du hier einziehst will kein Waldbewohner mehr etwas mit uns zu tun haben.“ Dem Eichhörnchen passte es gar nicht, dass der kleine Fuchs bei ihnen einziehen wollte. „Wieso? Ich tue doch keinem etwas!“ „Ach, bist du etwa kein Fuchs und jagst du keine unschuldigen Tiere?“ Springschnell wurde jetzt richtig wütend. „Ich bin ein Fuchs, ein echter Fuchs! Unschuldige Tiere jage ich jedoch nicht. Ich möchte friedlich mit euch leben. Es gibt auch andere Dinge, von denen man leben kann“, entgegnete fröhlich Füchslein Rotfell. „Schau, schau das sind ja mal ganz andere Töne. Nur glauben kann ich dir nicht“, spottete Springschnell. „Warum können die anderen Füchse es dann nicht auch?“ „Es ist schwer sich im Futter umzustellen, aber ich mag keine Feindschaft, mir bedeutet der Friede mehr als der Magen.“ „Wenn du es ernst meinst, kannst du einziehen. Herzlich willkommen!“, mischte sich nun die Meise in das Gespräch. „Ihr werdet schon sehen wie gut wir uns vertragen.“ Rotfell sah sich in seinem neuen Bau etwas näher um. Hier roch es noch stark nach Kaninchen, da diese dicht daneben gewohnt hatten. Bei seinem knurrenden Magen nicht gerade das Richtige, um seinem Vorsatz treu zu bleiben. So stellte er zuerst einmal seinen Rucksack ab und begab sich auf Nahrungssuche.

Schon bald hatte es sich im Wald herumgesprochen, dass Füchslein Rotfell es mit den anderen Tieren gut meinte. Springschnell wurde ihm ein guter Kamerad und gab ihm so manch wertvollen Tipp. Zu dritt lebten sie friedlich bis zum nächsten Frühling. Nun suchte sich Rotfell eine Füchsin und es zog ein lebhaftes Treiben bei dem alten Baum ein. Die kleinen Füchslein spielten fröhlich zwischen seinen Wurzeln. Auch sie lernten von den Eltern, dass es sich im friedlichen Miteinander besser lebt.

 

 *

 

Die kleine Wolke

Strahlend hell lachte die Sonne vom Sommerhimmel. Kleine Schäfchenwolken zogen fröhlich am Firmament entlang. „Schau mal, sieht diese kleine Wolke nicht wie ein Hündchen aus?“, Malve sah zum Himmel empor und machte ihre Mutter auf das Wolkenspiel aufmerksam. „Ja“, meinte diese, „jede Wolke ist wie ein anderes Bild. Es ist schon lustig, wenn man sie so dort oben im Blau beobachtet.“

Inzwischen setzte  unser Wölkchen am Himmel seinen Weg fort. Oh, wie schön war es von hier oben auf Menschen und Tiere herabzublicken.

Dort sah es eine Kuhherde auf der Koppel. Wölkchen ließ ihre Geschwister an sich vorbeiziehen. „Wie spannend“, dachte sie, „da kommt gerade ein Kälbchen  zur Welt! Und wie tapsig es versucht sich auf seinen Beinchen aufzurichten.“ Jetzt zog Wölkchen über einen Kinderspielplatz. „Hallo, werdet ihr mal nicht miteinander streiten!“, rief sie dem großen Jungen zu, der unablässig seine kleine Schwester ärgerte. So sehr sich Wölkchen auch aufregte der Junge konnte es nicht hören. Immer heißer brannte die Sonne vom Mittagshimmel und sog die letzten Wassertropfen von der Erde auf. Unser Wölkchen wurde immer schwerer, längst nicht mehr so leicht, zog sie nun am Himmel entlang. Die anderen Wolken hatten längst so viel Wasser in sich, dass sie es nicht mehr halten konnten und anfingen zu regnen. Der Wind gab sich die größte Mühe die schweren Regenwolken vorwärts zu treiben. Nur Wölkchen sagte sich immer noch: „Ich will nicht regnen. Wenn ich regne werde ich dünner und dünner, plötzlich löse ich mich auf und bin nicht mehr da.“ Fast hätte sie bei diesem Gedanken angefangen zu weinen, was für Wolken regnen bedeutet. Schnell dachte sie an die schöne Reise im Sonnenschein. Ganz langsam trieb der Wind sie weiter und weiter. Diesmal kam sie an einem Waldsee vorbei. „Der sieht aber komisch aus, wo ist denn das ganze Wasser geblieben?“ dachte die kleine Wolke. Nun hörte sie das gequälte quaken der Frösche, die sich nach Wasser sehnten, dann sah sie genauer hin und entdeckte, dass in dem Rest Wasser auch noch einige Fische lebten. Aber wie lange noch? Vor lauter Mitleid fing sie nun doch an zu weinen. Ein freudiges quaken drang zu ihr hinauf. „Wir Wolken sind nun mal zum regnen da“, waren noch ihre  Gedanken. Die letzten Tropfen fielen aus der Wolke. Fische und Frösche tummelten sich mit Vergnügen  im frisch gefüllten Teich.(Christina Telker)

Aufregung am Morgen

 

Schon früh schaute die Sonne ins Land hinein. Tiere und Pflanzen erwachten vom Schlaf der Nacht und sahen einem neuen Tag fröhlich entgegen. Glöckchen, eine kleine blaue Glockenblume, öffnete die Augen und blinzelte ins Sonnenlicht. Was würde der neue Tag wohl heute bringen? Als sie noch so vor sich hinträumte, kam auch schon Herr Siebenpunkt, der Marienkäfer, angeflogen und ließ sich auf einem Kleeblatt in ihrer Nähe nieder: Hallo Glöckchen,“, begann er das Gespräch, „hast du schon gehört, das im Wald, bei dem dicken Fliegenpilz, eine Hexe wohnt?“ „Eine Hexe?“, fragte Glöckchen voll Entsetzen. „Das kann doch gar nicht sein. Bei uns ist doch alles so schön und friedlich. Jeder ist des anderen Freund!“ „Das ist es ja gerade“, summte Siebenpunkt aufgeregt. „Der Rabe verbreitet gerade im Wald die Botschaft. Die Hexe ist von weit her zu uns gekommen, um hier ihr Unheil anzurichten.“ „Was können wir da nur tun?“ Glöckchen überlegte. Dann rief sie ihre Freunde: „Lissy, Goldköpfchen!! Kommt mal her, ich habe etwas Wichtiges mit euch zu besprechen!“ Gleich kamen beide Käfer angeflogen und ließen sich auf Glöckchens Blütenkelch nieder. „Was gibt es?“, rief Goldköpfchen schon von weitem und schaute sehr nachdenklich. Nicht oft rief Glöckchen so aufgeregt nach ihren Freunden. Auch Lissy war gleich zu Stelle, um ihrer Freundin beizustehen. Glöckchen berichtete nun, den beiden was sie soeben von Siebenpunkt vernommen hatte. „Das wäre ja furchtbar!“, meinte Lissy, „da müssen wir gleich die anderen fragen, wenn sie nachher vorbeikommen.“ So wurde es gemacht.

Als Meister Reinecke seinen Morgenspaziergang durch die Wiesen unternahm, sprach Glöckchen ihn sogleich an: „Hallo Rotfuchs, du weißt doch immer alles als Erster. Hast du schon davon gehört, dass sich bei euch im Wald eine Hexe niedergelassen hat?“ „Das kann ja dann nur im Tannenwald sein, dort wo er am dichtesten ist“, sinnierte nachdenklich der Fuchs. „Ich werde mich umhören und sobald ich etwas weiß, sage ich dir Bescheid.“ Der Fuchs schlich sich von dannen, nun hatte er eine Aufgabe und die nahm er sehr ernst. Er war stolz darauf, dass er um Hilfe gebeten wurde. Von weitem sah er schon Meister Lampe des Weges kommen „Halt, Vater Lampe, nicht fortlaufen, ich will dir nichts tun, ich möchte nur mit dir reden.“ „Hallo Herr Fuchs, heute so friedlich, was gibt es denn so Wichtiges?“ Der Hase näherte sich dem Fuchs, jedoch nur bis zu einer gewissen Entfernung, denn er wagte sich nicht, ihm so richtig zu trauen. „Hast du schon davon gehört, dass in unserem Wald eine Hexe wohnt? Glöckchen hat es mir erzählt.“ „Nein, bis jetzt habe ich davon noch nicht gehört, aber ich werde die Löffel offenhalten. Danke für die Warnung.“

Meister Reinecke hatte sich fest vorgenommen, den Tannenwald etwas genauer zu durchforsten. Doch bereits bevor er den Wald betreten konnte, wurde er schon von der Seite her angezischt. „Was willst du denn hier, so außerhalb von deinem Revier?“ zischelte die Schlange. „Na, alte Natter, dich hier zu sehen bedeutet doch sicher nichts Gutes?“, ging Gevatter Fuchs auf die Anrede ein. „Schau, schau, der listige und schlaue Fuchs! Ja, du hast recht, ich schiebe hier Wache, damit sich keiner meiner neuen Herrin nähert.“ „Deiner neuen Herrin?“, stellte sich der Fuchs dumm. „Wer ist denn deine neue Herrin?“ „Das möchtest du gerne wissen, stimmt’s? Du platzt ja fast vor Neugierde“, zischte die Schlange. „Ob du es mir nun sagst oder nicht“, grinste der Fuchs. „Ich weiß es auch so. Wenn einer so falsch ist wie du, kann er nur einer Hexe dienen.“ „Wie kommst du darauf, Xenia ist erst ein paar Tage in unserem Wald und ich habe wirklich aufgepasst, dass es keiner merkt.“ „Du hast die Vögel und Käfer vergessen, auf die kannst du nicht aufpassen, sie können fliegen.“ „Xenia ist sowieso viel stärker als ihr alle zusammen. Bald müsst ihr alle, ihr dienen.“ „Na dann bestell mal Xenia einen schönen Gruß“, meinte der Fuchs, „und sage ihr, ich denke gar nicht daran, ihr zu dienen.“ „Das Lachen wird dir schon noch vergehen“, zischte die Schlange böse und schlängelte sich davon. Der Fuchs lief zurück und gab Frau Eule den Auftrag, zu verkünden, dass sich bei Sonnenuntergang alle Tiere auf der Waldwiese versammeln sollten.

Während dessen war die Schlange zu ihrer Gebieterin zurückgeschlichen, um ihr die Neuigkeit zu melden. „Warte noch ein Weilchen, ich bin gerade wieder ein Stück weitergekommen, bald habe ich den Trank fertig. Dann sind wir die Sieger über Wald und Feld“, meinte böse die Hexe. „Oh ja endlich! Dann müssen mir alle zu Willen sein“, zischte freudig die Schlange. „Wie willst du den Tieren denn deinen Trank zuführen?“, fragte lauernd die Schlange. „Ich werde alle Flüsse und Seen im Umkreis damit tränken und trinken müssen die Tiere. Keiner wird etwas merken.“ „Du bist die Klügste, wie immer!“, schmeichelte die Schlange ihrer Herrin.

Mittlerweile schickte die Sonne sich an, hinter den Wolken unterzugehen. Die Tiere des Waldes hatten sich auf der Wiese versammelt. Alle warteten gespannt auf das Erscheinen des Fuchses. Da bog er auch schon um die Waldecke. „Siebenpunkt hatte recht“, begann der Fuchs seine Rede. „Ich war heute beim Waldrand, dort hält die Natter Wache, sie hat sich mit der Hexe verbündet.“ „Das passt zu ihr“, rief der Igel dazwischen. „Sie hatte immer versucht einen Keil zu treiben“, setzte der Maulwurf hinzu, der sich auch einmal aus seinem Erdloch gewagt hatte. „Und was machen wir nun?“, fragte der Hamster. Er hatte sich etwas verspätet und kam mit seiner letzten Garbe Weizen heim. Die Tiere unterbreiteten verschiedene Vorschläge. Die Hummeln wollten die Sache von oben beobachten. Die Ameisen setzten sich für eine Beobachtung auf dem Landweg ein. Aber keiner glaubte so recht an einen Erfolg. Als die Tiere sogar über einen Weggang aus ihrem Heimatwald nachdachten, fragte Glöckchen: „Haben wir nicht früher immer zusammengehalten? Was soll denn aus uns Blumen werden, wenn ihr alle fortgeht?“ „Genau, genau“, flüsterten auch jetzt die anderen Blumen. „Was sollen wir nur tun?“ „Wo gibt’s denn hier Probleme? Kann ich vielleicht helfen?“. Tönte plötzlich über ihnen ein leises Stimmchen. Alle Tiere und Pflanzen blickten nach oben und sahen über sich eine kleine Blumenfee, die gerade ihren Abendtanz über der Wiese vollführte. „Ja, du musst uns helfen!“, rief auch sogleich Goldköpfchen. „Was sollen wir denn nur tun, wenn die Tiere fortgehen?“ „Nun mal langsam“, begann jetzt die kleine Elfe. „Natürlich helfe ich euch und ich bin wohl auch die Einzige, die das kann.“ „Wieso?“, erkundigte sich jetzt Siebenpunkt. „Das kann ich dir sagen“, antwortete die Elfe. „Meine Blumenkinder sind am meisten durch die Hexe gefährdet. Sie können nicht fortlaufen, wie ihr es könntet.“ „Aber wie willst du helfen?“, wollte jetzt ein Falter wissen, der bei seinem Abendflug vorbeikam. „Ich kenne einen Zauberspruch“, sprach die Elfe. „Dieser Zauberspruch setzt alle Künste der Hexe außer Kraft. Ich muss nur schnell sein und die Hexe erreichen, bevor sie Ihren Trank in Seen und Flüssen verteilt.“ „Dann beeile dich, bitte!“, baten jetzt alle wie aus einem Mund. Sofort flog die kleine Elfe los.

„Jetzt habe ich alles bereit, wir warten nur noch bis es richtig dunkel ist“, sprach böse grinsend die Hexe, zu ihrer Begleiterin, der Schlange. „Das hast du gutgemacht! Oh wie freue ich mich schon auf den morgigen Tag, wenn alle zur Tränke gehen! Noch nie habe ich einen Sonnenaufgang so herbeigesehnt“, zischte die Schlange. „Da habt ihr euch wohl verrechnet“, klang plötzlich eine Stimme von oben. Die kleine Fee kam herbeigeflogen, zückte ihren Zauberstab und verstreute ihren Zaubersand. „Meine lieben Blumenkinder und die Tiere zu beherrschen und zu quälen, das war euer Wunsch. Das werde ich euch versalzen. Zum Glück bin ich noch rechtzeitig vorbeigekommen.“ „Du hast mir schon einmal ins Handwerk gepfuscht“, schnaufte böse die Hexe. „Ja, hier ist deine Macht zu Ende, mach das du fortkommst“, rief die kleine Fee und flog zurück auf die Wiese, um Tieren und Pflanzen die frohe Botschaft zu bringen. Wieder einmal hatte sie die Hexe besiegt. Alle freuten sich riesig und gingen beruhigt schlafen. Kleine Elfen vollführten einen Siegestanz, im Mondlicht. Die Hexe schlich sich so heimlich davon, wie sie gekommen war, um im nächsten Wald ihre Künste auszuprobieren. (Christina Telker)

König Winter

 

Mit seiner prächtigen Kutsche, bespannt mit sechs weißen Schimmeln, kam König Winter gerade um die Ecke gebogen. In seinem Palast, aus glänzenden Eiskristallen, wurde er bereits erwartet. „Wo bleibst du nur solange?", erkundigte sich besorgt Prinzessin Schneeflocke. „Bruder Herbst wollte den Weg nicht freigeben", brummte, etwas verärgert über diese Frage, König Winter. Dabei hatten sich die beiden Brüder gut verstanden und König Winter hatte es recht gut gefallen, als ihm Bruder Herbst von seinem diesjährigen Rebensaft anbot. Bei einem gemütlichen Plausch vergaßen sie die Zeit, bis König Winter merkte, dass es längst soweit war das Regiment zu übernehmen. Da Bruder Herbst rechtschaffen müde war von seiner Regentschaft, trennten sich die beiden in bestem Einvernehmen. Hier vor seinem Hofstaat, konnte König Winter nicht anders, als seine Verspätung auf seinen Bruder den Herbst zu schieben. Manches Mal war er gar nicht begeistert von dem ganzen Trubel, der ihn jetzt bei den zahlreichen Festen erwartete, die seine Regierungszeit mit sich brachte. Prinzessin Schneeflocke wollte jedoch nicht länger warten und erinnerte daran, dass im Saale die Gäste bereits lustig beisammen waren. Feuerwerk und Maskenball waren angesagt. Jeder wollte der Schönste sein. Punsch und Glühwein machten die Runde. Prinzessin Schneeflocke wirbelte nur so durch den Raum in ihrem zart weißen Spitzenkleid. Schon nach kurzer Zeit kamen die Blumenkinder in ihren weißen und gelben Röckchen in den Saal gerauscht. Schneeglöckchen und Winterlinge drehten sich fröhlich im Tanz. Nun dauerte es nicht mehr lange und Bruder Lenz klopfte behutsam an die Tür. Mit einem letzten Schneewalzer würde er später seine fröhliche Tage in seinem Reich beenden. König Winter würde dann das Zepter dem Lenz übergeben, froh sich zur Ruhe legen zu können. © Christina Telker

Bert der Schneemann

 

Schon lange bedeckte eine dichte Schneedecke die Erde. Die Kinder jubelten über diese Pracht. In den vergangenen Jahren war Frau Holle nicht so großzügig mit ihrer weißen Flockenfülle gewesen. So konnten die Kleinen jeden Tag ihren Schlitten herausholen. Auch Schneemänner sah man vor fast jedem Haus. Gela und Angie hatten den Größten gebaut und da er sie schon so lange jeden Morgen freundlich begrüßte, anstatt wegzutauen, war er ihnen wie ein Freund ans Herz gewachsen und sie gaben ihm einen Namen. Bert sollte er heißen. Was die Schwestern jedoch nicht wussten, Bert war ein besonderer Schneemann. Er lebte. Jede Nacht von null Uhr bis zwei Uhr. Danach stand er brav wieder an der Stelle, an der ihn die Kinder gebaut hatten. In den zwei Stunden der Nacht, in denen ihm die Schneekönigin Leben einhauchte, wanderte er durch die Stadt, um nach seinen Kameraden zu sehen. Dem einen fehlte seine Nase, die ersetzt werden musste, einem anderen hing der Hut so schief, dass er beim nächsten Windstoß davon geflogen wäre. Bert kümmerte sich um alles. Kaum reichten die zwei Stunden aus, um alle Aufgaben ordentlich zu erfüllen, denn Bert nahm sein Amt sehr ernst. So manches Mal schaffte er es gerade noch zum Glockenschlag vor seinem Haus zu stehen. Bis auf die eine Nacht in der etwas Unerwartetes geschah. Als er kurz vor zwei Uhr um die Ecke der Nelkenstraße bog, fand er einen seiner Kameraden arg zu gerichtet vor. Schwer hatte man ihm zugesetzt. Ihm fehlte nicht nur Hut, Nase und Augen, nein ihm fehlte auch ein Arm. So konnte Bert seinen Kameraden nicht in den neuen Tag gehen lassen. Traurig stand der Kleine da und sah sein letztes Stündlein gekommen. Bert wusste, dass er es heute nicht mehr vor das Haus seiner Freunde schaffen würde. Aber hier musste sofort geholfen werden. Zuerst setzte er den Arm wieder an. Anschließend sammelte er Hut, Nase und Augen wieder ein und versorgte den armen Tropf so gut er konnte. Ein letzter Blick zeigte ihm da, das sein Werk gelungen war. In dem Moment schlug die nahe Kirchturmuhr zweimal und Bert blieb auf der Stelle stehen, auf der er sich gerade befand. Wie staunten am nächsten Morgen die Bewohner der Nelkenstraße über den großen Schneemann. ‚Wer hat den nur über Nacht gebaut‘, überlegten sie. Gela und Angie glaubten jedoch ihren Augen nicht zu trauen als sie am Morgen vors Haus traten. Wo war nur Bert? Aber so sehr sie auch suchten, nirgends war eine Spur von ihm. Nicht einmal ein Schneehaufen, der ahnen ließe das Bert dort stand. In der Schule erfuhren sie von ihren Freunden, dass in der Nelkenstraße über Nacht ein besonders schöner Schneemann entstanden sei. „Den müsst ihr euch unbedingt ansehen“, forderte Gerd die beiden Schwestern auf. Neugierig geworden folgten die beiden Mädchen nach der Schule ihrem Freund. Als sie um die Ecke der Nelkenstraße bogen und Bert erblickten riefen beide wie aus einem Mund: „Das ist unser Schneemann! Das ist Bert!“ „Wer ist Bert?“, wollte Gerd nun wissen. „Na Bert, unser Schneemann! Den haben wir gebaut!“, rief ganz aufgeregt Gela. „Da schau auf, dem Schal ist mein Namenszeichen“, setzte Angie hinzu. „Aber wie ist er nur hierhergekommen?“, wunderten sich die Kinder. Nun wurde überlegt wie man den Schneemann wieder zu ihren Besitzerinnen zurückbringen könnte. Die Mädchen liefen nach Hause, um es ihren Eltern zu erzählen. Diese versprachen den Schneemann am kommenden Wochenende zurückzuholen. Bis dahin sollte er bei Gerd in der Nelkenstraße bleiben. Doch wie staunten alle, als sie am nächsten Morgen den Schneemann wieder vor dem Haus der Mädchen vorfanden. Er stand, als sei nichts geschehen auf seinem alten Platz. Verstehen konnte es keiner, die Schwestern freuten sich aber sehr, dass ihr Schneemann wieder da war.  (c) Christina Telker